Das älteste steinerne Zeugnis der Spies / Spieß in Kenzingen ist der Grabstein von Anna Catharina Spieß aus dem Jahr 1689 in der Hürnheimer-Kapelle von St. Laurentius. Die Kapelle war eigentlich als Grablege von Wolf von Hürnheim (ehemaliger Herr von Kenzingen) für sich, seine Frau Beatrix und die Tochter Veronika im 16. Jahrhundert errichtet worden und enthält außerdem Reliquien des Heiligen Innocentius.
Vor diesem Hintergrund ist es überraschend, dass Anna Catharina Spieß über 100 Jahre später dort ebenfalls bestattet wurde, da eine Verwandtschaft mit dem Erbauer unwahrscheinlich ist. Möglicherweise spricht dies aber z.B. für eine gesellschaftlich herausgehobene Position oder eine besondere Tat. Sie verstarb am 14.09.1689 als Frau des Kenzinger Schultheißen Adam Schwab, ihr Grabstein ist aufwändig gearbeitet und besteht aus drei Teilen: Dem Wappen, einem nicht mehr lesbaren Mittelteil und der Inschrift.
Schaut man genau hin, sind am Boden der Kapelle Sockel und Spuren zu erkennen, die nicht zur heutigen Situation passen. Im Buch Die Geschichte der Stadt Kenzingen, Band 2 nennen Gregor Schlicksbier und Peter Schmidt-Thomé den Grund. Die Kapelle wurde 1905 erweitert und dabei umgebaut, wodurch es zu einer Neuanordnung aller Grabsteine kam. Die Nische gab es vorher nicht, auf dem Sockel darunter (linker Pfeil) stand ursprünglich der Grabstein von Wolf von Hürnheim und der Grabstein seiner Frau stand auf dem Sockel an der rechten Wand (rechter Pfeil). Der Grabstein von Anna Catharina Spieß befand sich ursprünglich in der Ecke (mittlerer Pfeil) zwischen den beiden Grabsteinen. Möglicherweise wurde der Spieß-Grabstein aus Platzgründen in die Ecke zwischen die von Hürnheim gequetscht. Dadurch wurde jedoch die sicherlich beabsichtige ideelle Verbindung zwischen beiden unterbrochen, weitere Informationen ließen sich bisher aber nicht finden.
Unter der Inschrift Anno Domini 1689 befindet sich ein Helmwulst mit einem Einhorn als Helmzier. Darunter sieht man eine Wappenvereinigung, wobei die Wappen von zwei Personen zusammengestellt wurden.
Auf dem linken Wappen der Familie Schwab erklimmt ein Einhorn einen steilen Weg. In der Heraldik steht das Einhorn u.a. für Rechtsprechung und passt zum Amt des Schultheißen, das mehrere Mitglieder der Familie Schwab ausübten.
Das rechte Wappen der Familie Spieß enthält 4 Sterne mit je 5 Strahlen, einen davon direkt hinter dem Kopf bzw. den Hörnern des Steinbocks, ferner 2 gekreuzte Spieße. Das Spieß-Wappen wirkt überladen, eigentlich waren Wappen klar und übersichtlich strukturiert mit eher wenigen Figuren. Die Anordnung der Sterne könnte für das Sternbild Kreuz des Südens stehen, wobei dies aber üblicherweise aus 4 großen und meist noch einem kleinen Stern besteht. Zudem ist es am europäischen Himmel nicht zu sehen und wurde erst durch die Seefahrer des 16. Jahrhundert bekannt. Alternativ könnten die Sterne das quasi-Sternbild Herbstviereck darstellen oder ein Kreuz im Sinne christlicher Symbolik für den Glauben meinen. Mit Ausnahme der Spieße als sprechendes Symbol für den Namensträger ist die Bedeutung der Darstellung aber unklar.
Die Ausführung der Wappen überrascht. Das Einhorn hat ein viel zu großen Horn, auch ragt es nicht empor sondern liegt auf den Nüstern und zeigt damit zum Boden. Die Sterne sind völlig uneinheitlich in unterschiedlichen Formen und Größen ausgeführt, ein Stern wird fast vollständig vom Steinbock verdeckt. Die unteren Enden der Spieße sind merklich abgeknickt und die Spitzen sitzen nicht mittig auf den Spießen. Die beiden Tiere selber sind dagegen ordentlich gestaltet. Bei dem generell kunstfertig ausgeführten Grabstein wollen die Wappen nicht recht ins Bild passen. Möglicherweise haben mehrere Personen mit unterschiedlichen Kenntnissen an dem Grabstein gearbeitet oder es musste aus irgendwelchen Gründen sehr schnell gehen.
Auf einer dunklen Grundierung war im mittleren Teil ursprünglich eine Inschrift vorhanden, die möglicherweise mehr über Anna Catharina Spieß verriet. Leider ist sie größtenteils abgeblättert und der Rest verblasst.
Der untere Teil enthält eine in Stein gemeißelte Inschrift:
Original: Den 14: tag sbris: Ist in Gott selig endtschlaffen die edel undt tugensambe Fraw Anna Chatarina Spiessin dero undt allen christglaubigen Gott die ewige ruhe verleihen wolle: Amen:
Übersetzung: Am 14. September ist in Gott selig entschlafen die edle und tugendsame Frau, Anna Catharina Spieß, der und allen christgläubigen Gott die ewige Ruhe verleihen wolle. Amen.